Wasserfontänen sind ganz schön gefährlich, sollte man meinen. Am Marienplatz im Stuttgarter Süden ejakuliert geysiresque eine Fontäne in regelmäßigen Abständen – umringt von einem Hochsicherheitszaun, der es einem unmöglich macht, mit dem Wasser in Berührung zu kommen und ganz klar sagt: Nur gucken, nicht anfassen! Stinklangweilig.
Karl Philips, ein Spezialist für das, was man unter Künstlertypen Intervention nennt, hat das Problem erkannt und eine Lösung konstruiert. Der Belgier war derzeit Gast beim Vagabundenkongress am Theater Rampe, welches gleich um die Ecke liegt. Er schnappte sich ein paar Leute, die seine Konstruktion zum Brunnen schleppten und dort installierten.
Die Idee war ganz einfach: Wenn der Mensch nicht zum Wasser kommt, muss das Wasser wohl zum Mensch kommen. Ein zur Hohlkehle gebogenes Brett leitete die Fontaine um, sodass sie in einem schönen Bogen über das lästige Geländer spritzte. Die großzügig dimensionierte Trägerkonstruktion ruhte auf dem runden Geländer des Brunnens.
Die Idee hat funktioniert: Passenten fingen an, durch die Fontaine zu rennen und hatten offensichtlich Spaß dabei.
Nicht all zu viel später wurde die Konstruktion wieder abgebaut. Viele Passanten bedauerten dass. Aber jetzt hat auf dem Marienplatz wieder alles seine Ordnung.
Apropos Spaß: an den haben die Gestalter des Platzes und seines Brunnens wohl weniger gedacht. Soll halt chic aussehen, so ein Pseudogeysir. Das passiert leider öfters bei der Stadtplanung – vor lauter chic werden die Menschen vergessen, die mit dem dahingeplanten Zeug so leben müssen.
Ich fordere das Recht darauf, sich nass machen zu dürfen, ein! Freiheit für alle Brunnen! Benässungsfreiheit! Aber wie alle Freiheiten ist auch diese ein zweischneidiges Schwert. Ein Recht auf Selbstbenässung würde besonders gerne von Kindern in Anspruch genommen werden, deren Eltern dann auf ihr fragwürdiges aber durchaus nachvollziehbares Recht auf trockene Kinder pochen könnten.
Am anderen Ende des Marienplatzes befindet sich übrigens ein schrankenloser Brunnen, auch „Strand“ genannt, der jedoch nicht so schön spritzt. Langweilig!
Übringens: Der Stuttgarter Marienplatz ist mit seinen unendlichen Weiten ein ungewöhnlicher Ort im tiefen Kessel von Stuttgart. Nirgendwo sonst darf die Sonne so ungehindert die Haut der Bürger braten. Über die Taklamakanwüste des Stuttgarter Südens könnte ich hier noch einige Geschichten erzählen, aber das heb ich mir für ein andermal auf.
Fotos: Martin Zentner / Google Earth
apropos langweiliger „Strand“: für jemanden, der sich unwissend den gerade mal pausierenden Wasserdüsen in der Wand nähert und einen Blick hinein wirft, kann das Ganze plötzlich ganz schön überraschend werden
Stimmt, dann ist es nicht so langweilig. Ich werde mir das mal genauer anschauen. Ich sollte nicht vom Frust über den einen Brunnen auf den anderen schließen.
Anderswo baut man begehbare Brunnen, die gerade für Kinder große Anziehungskraft haben. Da kann man zwischen den unregelmäßig spritzenden Fontänen herumspringen soviel man will. Sieht natürlich nicht nach Geysir aus…
Ein begehbarer Geysir wäre vielleicht auch etwas heftig. Man könnte sich ne gute Unterbodenwäsche holen …
Ok, da müsste man vielleicht mit so einer Wasserspareinrichtung arbeiten, wie sie an fast jedem Wasserhahn zu finden sind. Dem Strahl wird Luft zugesetzt, und statt eines harten Strahls aus 100% Wasser hat man 40% Luft drin oder so. Das könnte dem Geysir die ganz kompromisslose Härte etwas nehmen.