Beim Rumwühlen in den Eingeweiden meines Blogarchivs bin ich auf eine Hand voll Reiseberichte aus Tokio gestoßen, die mir nach fast fünf Jahren immer noch gefallen. Ich habe sie überarbeitet und zusammengefasst. Auch die Bilder wurden neu gemacht, von der Künstlergruppe Schattenwald, die sich auf virtuell-materielle Grenzreisen spezialisiert haben.
Die Geschichte ist doch zu lang, um sie in einer Wurst hier reinzuhauen. Außerdem kann ich dann immer noch an den Folgekapiteln rumwurschteln. Hoffentlich wollt ihr die dann überhaupt noch lesen. Hier noch ein Soundtrack, passend zum Titel der Serie:
Tokyo, mon amour #1: Vom Versuch, mich zu verlaufen
Ein Freund von mir verreist geschäftlich für ein paar Tage nach Tokio. Das pass, denn die riesige Stadt steht ganz oben auf der Liste jener Orte, denen ein dorischer Besuch gut tun würde. Ich schmuggel mich in sein Handgepäck und fliege mit.
Tag 1
Morgens kommen wir am Flughafen an und fahren mit dem Bus zum Hotel, einem typischen Business-Kasten, in die man gerne Geschäftsgäste einquartiert. Nur das vollautomatische Klo mit Sitzheizung lässt darauf schließen, das wir in Japan sind. Der Rest entspricht jenem internationalen Standard, der einen vergessen lässt, wie groß und bunt die Welt eigentlich ist. Mein Mitreisender muss gleich zu seinem ersten Termin. Ich gehe meiner liebsten Beschäftigung in fremden Städten nach: Mich verlaufen. In Tokio fällt das nicht sonderlich schwer.
Abends hat mich mein Verlaufen dann doch an ein Ziel gebracht, welches ich gezielt wohl nur im Netz gefunden hätte. www.dora.jp ist eine schöne Adresse, vor allen Dingen, wenn man sie auf eine Wand gedruckt entdeckt. Noch schöner wird sie, wenn sie von Weinkorken umgeben ist, die den Zweck des Ortes andeuten: Alkoholkonsum. Für Damen wie mich gibt’s 30% Prozent Nachlass – hoffentlich auf den Preis, nicht den Alkoholgehalt.
In Unkenntnis der schön anmutenden Buchstaben, die sich der Japaner wohl zur Verwirrung junger Damen aus dem Westen wie mich ausgedacht hat, lass ich mich überraschen, was da an feinen Räudigkeiten in Gläsern gereicht wird.
Ich steige hinab in die Höhle der Dora und bekämpfe den Jet-Lag mit 30% reduzierten Cocktails, was ich durch Mehrkonsum wieder wett mache. Ahnungslos, wo ich gestrandet bin, winke ich ein Taxi herbei und zeige dem Fahrer meinen Hotelschlüssel. Er lacht und fährt weiter. Kein Wunder. Das Hotel ist auf der anderen Straßenseite. Ich bin offensichtlich zu doof, mich ordentlich zu verlaufen.