Auf ein Foto von mir in den sozialen Medien erntete ich den sicherlich wohlgemeinten Rat, ich sollte doch etwas zunehmen, da ich krank aussähe.

Ach immer dieses Sollen. Was man nicht alles sollte …

Ab-, zu-, aufnehmen, achtsam, erfolgreich, ordentlich, nicht zu laut und nachhaltig sein, deines Nächsten Frau nicht nicht begehren (Mann ist aber schon okay?), kein Bier auf Wein trinken, keine eigenen Beiträge liken, die Toilette so hinterlassen, wie man es vorfinden möchte, den Rasen nicht betreten, nicht über Los gehen, die absurdesten Meinungen akzeptieren, nicht mit vollem Magen ins Freibad gehen und bei allem noch gut aussehen.

Viel wichtiger: Was will ich eigentlich?

Ich will mich so mögen, wie ich bin. Mit allem, was man als Makel bezeichnen könnte. Das ist nicht einfach. Es hilft, sich nicht immer im Spiegel anderer zu betrachten, denn auch diese sind verzerrt. Mein Wollen ist nicht das Sollen anderer.

Ich will mich entwickeln, dazu lernen, unbekanntes Terrain betreten, Überraschungen erleben, versuchen, scheitern, nochmals versuchen, schöner scheitern.

Ich will lachen, leben, lieben, Freude erleben und bereiten.

Das hört sich nach einem gesunden Leben an.

Gefallt euch selbst!

Ein selbstgefälliges Bild.

Wäre ja auch schlimm, wenn’s mir selbst nicht gefallen würde! Sich selbst zu gefallen hat einen Vorteil: Ich nehme die anderen aus der Pflicht, an mir Gefallen finden zu müssen. Ich mach das schon selbst, und wem ich trotzdem gefalle … wunderbar!

Gefallt euch selbst! Oder findet euch okay. Habt ein sichselbstokayfindiges Bild von euch im Herzen! ❤

Anmerkung:

Es gibt einen ganzen Sack voll Adjektive, die die Liebe zu sich selbst sehr abwerten [1]. Positiv konnotierte Begriffe sind schwer zu finden, sie umgehen den Begriff der Liebe weitläufig (selbstbewusst, selbstzufrieden), als ob es etwas schmutziges wäre, sich selbst zu lieben. Obschon die Bibel zur Selbstliebe aufruft, denn man solle seinen nächsten ja wie sich selbst lieben. Man könnte fast denken, dass es Konsens sei, dass wer sich selbst liebt, diese Liebe anderen vorenthalte, als wäre es eine endliche Ressource, mit der man haushalten und ja nicht zu viel für sich selbst behalten solle. Wer sich selbst nicht mag, braucht Surrogate und ist somit eine gute Konsumentin. Und im biblischen Sinne kann der Selbstsichnichtliebende ja auch mit Fremdliebe knausern, man muss ja anderen nicht mehr geben, als man sich selbst gönnt.

Kurzum: Ich habe mal ganz provokant dieses negative Wort auseinandergenommen um zu zeigen, wie selbsthässlich wir sozialisiert wurden. Darum mein Plädoyer dafür, sich schamlos selbst gefallen zu dürfen.

[1]Duden: sich selber sehr wichtig nehmend, oft damit verbunden, die eigenen Vorzüge deutlich und auf überhebliche Art zu betonen und dabei Verdienste anderer zu ignorieren. Sinnverwandte Wörter: anmaßend, arrogant, eingebildet, eitel, narzisstisch, präpotent, selbstgerecht, selbstherrlich, überheblich)

Ziggy-Stardust-Tag

Dora Stardust

Die Welt braucht einen neuen Feiertag. Ein Tag, der die Menschen dazu bewegt, Liebe zu verbreiten und sich neu zu erfinden. So wie David Bowie, geboren am 8. Januar 1947 und gestern gestorben, am 10. Januar 2016. Ich hoffe mal, dass er nicht gestorben, sondern zurück auf seinen Heimatplaneten gereist ist. In seiner Inkarnation als Ziggy Stardust kam Bowie auf die Erde, um die Botschaft von Liebe und Frieden zu verbreiten, scheiterte jedoch daran.

Jetzt ist es an uns, seine Mission aufzugreifen und umzusetzen. Deshalb wird fortan der 8. Januar der Ziggy-Stardust-Tag sein, an dem sich alle einen roten Pfeil ins Gesicht malen und der Welt Liebe bringen. Dazu wirft man an diesem Tag die alte Hülle ab und erfindet sich neu. Denn nur wer ab und an die Perspektive wechselt, kann die Welt in all ihrer komplexen Schönheit erkennen. Es ermöglicht einem, sich in die Weltbilder anderer hineinzuversetzen, das eigene zu hinterfragen, sich selbst nicht mehr so ernst zu nehmen, andere zu respektieren und in all ihren Eigenheiten zu lieben.

In einer Zeit, in der sich die Leute immer stärker vom Rest der Welt abgrenzen, in kleinen Gruppen eigene Wahrheiten postulieren und militant gegen andere verteidigen, brauchen wir einen Impuls, der diese Quelle des Hasses austrocknen lässt. Der uns daran erinnert, dass es Liebe ist, auf der unsere pluralistische, freiheitliche und demokratische Gesellschaft fußt. Dass wir nur miteinander stark sein können. Und dass wir nur miteinander sein können, wenn wir unsere Unterschiedlichkeit respektieren.

Ich bin mir verdammt sicher, dass der Ziggy-Stardust-Tag die Welt schöner machen wird und David Bowie auf seinem Heimatplaneten uns mit Freude durch sein Fernrohr beobachten wird. Das sind wir ihm und uns schuldig.

Katzenzustand

Quantencomputer

Ich wollte schon immer mal einen Computer haben, der mit  Katzenzuständen arbeitet. Drum habe ich mir jetzt meinen eigenen Quantencomputer gebaut. Farblich passend zu meinem Outfit. Bildschirm braucht er keinen, das Gerät ist mit meinen Sehnerven verschränkt. Die Tastatur ist nur dran, weil ich gerne auf Tasten drücke.

Eine wichtige Aufgabe des Rechners: Die Simulation von Schrödingers Katze.  Der Quantenphysiker ersann ein Gedankenexperiment, bei dem eine hypothetische Katze in eine Kiste* gesteckt werden sollte. Auch in der Kiste: Ein instabiler Atomkern, der während der Versuchsdauer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Geschieht dies, bemerkt das ein Geigerzähler und ein tödliches Gift tötet das arme Viech.

Schrödinger behauptet, dass der Zustand des instabilen Atomkerns erst dann entschieden wird, wenn jemand in die Kiste schaut und den Katzenzustand überprüft. Bis dahin soll die Katze gleichzeitig tot und lebendig sein. In der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik entscheidet sich der quantenmechanische Zustand erst, wenn er gemessen, also beobachtet wird.

Der Quantenmechaniker hat die Rechnung ohne die Katze gemacht. Sie ist ja nicht doof und beobachtet selbst. Zumindest, wenn sie noch am Leben ist. Und überhaupt: Woher soll der blöde Atomkern eigentlich wissen, ob er beobachtet wird? Das haben sich andere Quantenheinis auch überlegt und ein paar Alternativen zur Kopenhagener Deutung ersonnen. Eine davon scheint mir recht elegant zu sein: Die Viele-Welten-Interpretation des Physikers Hugh Everett. Demnach existieren beide Katzenzustände in Paralleluniversen. Wenn man nachschaut, sieht man nur, in welchem Universum man selbst gelandet ist. Und ich hoffe mal, dass es nicht das Totekatzenuniversum ist.

Dieser Trick hat mich auf eine Idee gebracht. In dem ich mit meinem Quantencomputer eine Katze simuliere, erzeuge ich zwei alternative Universen. Wenn ich morgens vor dem Schrank überlege, welches Outfit mich durch den Tag begleiten soll, überprüfe ich zur Entscheidung den Katzenzustand in meinem Rechner. Egal, was ich dann anziehe, in einem Paralleluniversum trage ich das andere Outfit. Umso mehr Entscheidungen ich mittels Katzenzustand treffe, desto vielfältiger die Universen der Paralleldoren. Wenn ich eine doofe Entscheidung getroffen habe, tröstet mich der Gedanke, dass eine andere Dora besser dran ist. Und wenn die Entscheidung gut war, freu ich mich einfach.

 

* Schrödinger beschrieb keine Kiste, sondern einen Raum. Aber jeder, der Katzen kennt, weiß, dass eine Katze viel lieber in der Kiste sitzt.

 

Ein freundliches Lächeln für die Welt

Dora-Schmuckkörbchen

Vorgestern hatte ich zum Internationalen Tag der Nettigkeit aufgerufen – unwissend, dass es  schon einen Welt-Nettigkeitstag gibt. Der ist am 13. November und wurde von der japanischen Nettigkeitsbewegung im Jahr 1998 ins Leben gerufen. Ihr Rädelsführer Wataru Mori war der Meinung, dass eine kritische Masse kleiner Nettigkeiten die Welt verbessern kann.  1999 wurde das Schmuckkörbchen zur offiziellen Blume der Organisation ernannt. Es gibt einen Batzen nationale Untergruppen, jedoch keine in Deutschland.

Da ich weder eine offizielle Organisationsblume noch eine Organisation habe, die sich der Nettigkeitsverbreitung verschrieben hat, kann mein Aufruf natürlich nicht gegen den „offiziellen“ Nettigkeitstag anstinken. Aber wenn die Profinettigkeitsbeauftragten so nett sind, wie sie vorgeben zu sein, werden sie es mir verzeihen.

Nichts desto Trotz hat mein Aufruf gefruchtet, zumindest in der virtuellen Welt. Selten war eine so versöhnliche Stimmung in meinem direkten Facebookumfeld wie gestern – Leute vergaßen vor lauter Virtuellkuschelei, dass sie sich eigentlich gegenseitig die Fresse polieren wollten.  Ich hatte sogar fast das Gefühl, das sich weniger empört wurde.

Wir sind empathische Wesen. Die emotionale Empathie lässt uns fühlen, was andere fühlen – ein Phänomen, das man Mitgefühl nennt. Wir sind wie Schwämme, die die Stimmung um uns herum aufsaugen. Ob wir wollen oder nicht. Wir passen uns der Welt an, die wir wahrnehmen. Oder genauer gesagt, dem winzigen Ausschnitt, den wir überhaupt wahrnehmen können. Wir bauen sie aus den Materialien, die wir in unserer Umgebung auffinden. Begegnet man uns freundlich, dann verschönert sich unsere Welt und wir geben es weiter.

Das funktioniert leider auch andersrum: Die Nachrichten pumpen uns voll mit Bildern von Krieg und Elend, die sozialen Medien sind verseucht mit unreflektierter Empörung über eine vermeintlich böse Welt voll Terroristen, Chemtrails und der kapitalistischen Ausbeutung der Massen. Dadurch wird die Welt noch viel düsterer. Bitte nicht falsch verstehen: Eine kritische Haltung ist wichtig! Wenn diese aber nur über Empörung zu Verbitterung führt, wird sie krankhaft. Wir alle wissen, dass das Leben kein Ponyhof ist. Warum müssen wir uns auch noch im Elend suhlen?

Zurück zur Nettigkeit, bevor ich mich zu sehr über die Empörung empör – der werde ich ein andermal zu Leibe rücken. Jeder von uns hat die Möglichkeit, dem Elend entgegenzuwirken. Ein freundliches Lächeln reicht oft schon. Zeige den Menschen die du magst, dass sie wertvoll sind. Und ignoriere höflich die Arschkrampen. Es macht die Welt nicht runder, wenn du ihnen ans Schienbein trittst. Sei nicht einfach nur nett, damit du nicht aneckst. Dieses Nett ist die kleine Schwester von Scheiße.  Schau dir deine Mitmenschen mit kritischem, aber liebevollem Blick an, und du wirst entdecken, was du an ihnen magst. Dann zeig es ihnen!

Die Welt ist so schön, wie wir sie uns machen. Und ich habe beschlossen, in einer netten Welt zu leben.

http://www.theworldkindnessmovement.org/

 

Internationaler Tag der Nettigkeit

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Die Blätter verschwinden, es wird kalt und dunkel. Das Phänomen hat einen Namen: Herbst. Damit nicht Trübsal das Ruder übernimmt, sollte mensch (so schreibt man – äh mensch – korrekt gegendert) sich und anderen Gutes tun. Darum ist heute der internationale Tag der Nettigkeit (Das Gute an heute ist, dass jeder Tag irgendwann mal heute war, ist oder sein wird).

Denkt an jene, die ihr mögt. Sinniert darüber, was ihr konkret an ihnen mögt und sagt es ihnen einfach. Damit steigt nicht nur eure Laune, sondern die der anderen auch. Und wenn sie dann das selbe auch tun, breitet sich das schneeballprinzipiell aus. Macht Komplimente und schenkt der Welt ein Lächeln.

Nutzt dazu auch das soziale Medium euerer Wahl. Schreibt den Leuten an die Pinwand, warum ihr sie mögt, was euch an ihnen gefällt und warum sie wertvolle Menschen sind. Das funktioniert besser als jede Antiwinterdepressionslampe.

Gepflegte Winterdepression im Spätwinterwald

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Es wird wärmer. Zwischen Regenwolken kann man schon manchmal die Sonne erkennen. Bald werden quitschbunte Blüten das ruhige graubraun der Natur durchbrechen. Wenn das so weiter geht ist es im Mai wohl rum mit dem Winter – und der gepflegten Winterdepression. Um die lästigen Frühlingsgefühle vor der Tür zu halten, habe ich jetzt was Neues ausgeheckt: Die Spätwinterwaldfototapete. Garantiert ohne lebensbejahendes Grün, keine Schatten, die Sonnenschein suggerieren könnten und eine Menge totes Laub. Einfach an die Wand kleistern und in die nasskalte Stimmung eintauchen. So übersteht man die drei Monate des Sommerlochs bis zum nächsten Herbst, ohne das Haus verlassen zu müssen.

Bei Interesse an dieser beklemmenden Tapete bitte bei mir melden, ich werde auch noch andere Motive entwickeln.

PS: Auf die Idee mit der Fototapete hat mich Polizeireporterin der Stuttgarter Zeitung Christine gebracht, die sich berufsbedingt mit den Übeln dieser Welt auskennt, aber auf keinen Fall zu diesen gezählt werden darf.

Nur im Notfall Ruhe bewahren

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Nur im Notfall: Ruhe bewahren. Schöne Aufforderung dazu, in Nichtnotfallsituationen auf keinen Fall die Ruhe zu bewahren. Gleitet der Aufzug geschmeidig von Stock zu Stock, scheint Unruhe durchaus erwünscht zu sein. Ich verallgemeinere das mal auf den Rest des Lebens: Ruhe ist ein wertvolles Gut, welches man sich für Notsituationen aufbewahren, jedoch nicht im Alltag vergeuden soll. Gleiches gilt dem Befolgen von Anweisungen. Ich werde das mal ausprobieren und rastlos renitent durchs Leben marodieren, bis mir der nächste Notfall über den Weg läuft.

Grundlos glücklich

Ich bin grad glücklich. Grundlos. Das ist auch gut so, denn wenn es einen Grund gibt, kann er meinem Glück wie ein Teppich unter den Füßen weggezogen werden.* Gründe sollte man nur für Unglück haben, denn die kann man beseitigen.

Gründe sind eh überbewertet, weil sie eine kausale Folge im Sinne von „wenn a dann b“ implizieren. Das mag bei trivialen Dingen okay sein, so zum Beispiel: Wer auf den Elektrozaun pinkelt kriegt eine gewischt. Aua. Bei nichttrivialen Angelegenheiten sieht’s schon anders aus. Wenn ich einen dummen Spruch klopp, dann lacht mein Gegenüber, oder ist sauer. Je nach Laune, denn: Was Launen hat, ist nichttrivial. Zum Beispiel Menschen und Tiere. Und manchmal auch Computer. Naja, eigentlich ist alles, was nicht durch die überschaubaren Naturgesetze abgebildet werden kann jenseits jener Trivialität, die Gründen ihre Daseinsberechtigung gibt. Der Versuch, mit einfacher Logik komplexe Systeme zu bändigen führt selten zu was. Wenn man also Gründe sucht, dann darf man nicht erwarten welche zu finden, die solche auch sind. Man findet höchstens Rechtfertigungen, und die sind verdammt subjektiv. Bin ich zum Beispiel glücklich, weil mir jemand ein Bier ausgegeben hat, dann darf ich nicht daraus schließen, dass ich deswegen glücklich sei. Sonst würde jedes mir ausgegebene Bier mich beglücken. Vom falschen ausgegeben geht es voll in die Hose. Erst recht weil ich eine Frau bin und somit extrem nichttrivial.

Es ist durchaus sinnvoll zu beobachten, unter welchen Umständen etwas passiert. Es ist jedoch sinnlos, daraus logische Schlüsse zu ziehen und vermeintliche Tatsachen in den Raum zu stellen. Was ich hier so schreibsel klingt trivial, ist es aber nicht. All zu oft versuchen Menschen mit vermeintlicher Logik kausale Zusammenhänge zu erfinden, die hanebüchen sind. Sie wollen einen damit unter dem Deckmantel unumwerfbarer Logik verbal in irgend jene Ecke drängen, die ihnen einen Vorteil verspricht. Man traut sich leider viel zu selten zu sagen: „Was du sagst klingt in sich schlüssig. Aber leider nur in sich, nicht für mich“.

Ich bin es leid mich mit Argumentationsketten zu behängen, die jeglicher Basis entbehren. Logik ist ein ganz nettes Werkzeug, um einen gangbaren Weg zu suchen, mit dem man ein Problem lösen kann. Man sollte nur nicht der Versuchung erliegen, diesen Weg für den einzig wahren zu halten.

*Die Erkenntnis, das Gründe das Glück schmälern verdank ich Dagi.

Vom Versuch, beim Fußballspiel den Rasen zu mähen

Ich will mich ja raushalten – kann es aber nicht. Ich weiß ganz genau, dass die unendlichen Kommentarketten zu den aktuellen politischen Themen das perfekte Biotop für jene sind, die gerne mal auf die Kacke hauen. Feindbilder aufbauen und reinschlagen. Und ich bin dann manchmal so blöd und lass mich darauf ein, vergeude Zeit und inneren Frieden um einer Bande Halbstarker als Kasper zu dienen.

Rezept für mal ordentlich auffe Kacke hauen
Das funktioniert immer gleich. Man nehme ein empörungsfreundliches Thema (Erdbahhof, Atomkraft usw.) und formuliere eine unpopuläre Position so scharf und unsachlich wie möglich. Dann wirft man die echauffierte Meute in einen Topf, gibt ihr ein klischeehaftes Etikett („Wutbürger“, „Berufsdemonstrant“ , „Proler“) und macht sich über sie lustig. Bildstarkes Beispiel aus Facebook, kommentiert von „Apollo Stuttgart“, einem selbst ernannten Mitglied der „bürgerlichen Mitte“ zum Thema TV-Duell Mappus/Schmid:

„Wenn man sich wieder die Kommentare hier durchliest könnte man grad meinen, daß jeder von euch schon die Trillerpfeiffe im Göschle hat und einarmig auf die Tastatur klopft um die andere zur sozialistischen Faust ballen zu können.“

Ohne sich dabei auf’s wacklige Terrain des Diskussionsinhalts zu begeben kann man so jede Diskussion mal richtig schön anheizen. Auch ein Klassiker, in diesem Beispiel zur selben Diskussion von „Andy Lauland“:

„Wie sich die Linken immer erbosen… süß!“

Herabsetzung durch Gegnerverniedlichung. Komplett inhaltsbefreit, jedoch ohne Bild und dadurch langweiliger.

Diskutieren oder gewinnen?
Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Aus der Kiste der miesen rhetorischen Tricks bedienen sich alle (auch ich). Links, rechts, hinten, oben und alle anderen. Den naiven Glauben, dass diese Diskussion der politischen Meinungsbildung dienen, sollte ich mal ablegen. Es geht fast immer darum, einer Gruppe anzugehören und opponierende Gruppen ausfindig zu machen, an denen man dann Frust ablassen kann. Manche werden Fußballfans, da ist das ganze ja schon gut organisiert. Andere verwechseln Diskussionen mit der Fankurve und versuchen die Mitdiskutanten in Teams einzuordnen. Fällt ja auch einfach, da die meisten hier sich mittels Profilbildbuttons einer Seite zuordnen („oben bleiben“, „oben ohne“). Der Versuch, in solchen Diskussionen was zur Sache zu sagen kommt einem dann so vor, als wolle man während eines Fußballspiels den Rasen mähen oder auf selbigem ein Picknick machen. Die einen wollen diskutieren, die anderen gewinnen. Die an schiere Unmöglichkeit grenzende Schwierigkeit, Ironie schriftlich zu kommunizieren sorgt für das Sahnehäubchen der Verwirrung.

Respekt
Zum Glück kommt es auch zu erfrischenden Schlagabtäuschen. Ich schätze es sehr, wenn zwischen verbalen Grabenkämpfen ab und zu schöne oder schlaue Gedanken durchblitzen. Einige meiner „Gegner“ habe ich mittlerweile sehr lieb gewonnen, wenngleich wir uns andauernd fetzen. Grundvoraussetzung dazu ist ein Mindestmaß an Respekt vor dem Gegenüber. Verbal um sich schlagende Rüpel sind der Diskussion das, was Hooligans dem Fußball sind. Das Spiel ist egal, Hauptsache kloppen.

Ich werde weiter diskutieren und hoffe dabei meine Gelassenheit zu waren. Viele aggressive Kommentatoren schreiben sich in Ermangelung sprachlicher Finesse um Kopf und Kragen – ein gefundenes Fressen für ihre Gegner, die der Versuchung der Überheblichkeit erliegen. Damit verschwindet der Respekt und zieht der Diskussion den Teppich unter den Beinen weg. Ich versuche jedem erst mal mit Respekt begegnen. Wer diesen nicht erwidert verliert ihn auch von mir. Und dann hilft nur noch ignorieren. An diesem Vorhaben werde ich noch oft scheitern, aber versuchen kann ich es ja mal. Manchmal macht es halt doch Spaß, ein überhebliches Ekel zu sein, und an verdienten Opfern mangelt es ja nicht.

Instant-Glück

Petra Rau über mich:

Dora – ein perfektes Paar
die gelungene, weil erdachte 2. Hälfte
Vision und Ziel
Aufgabe und Herausforderung
Projizierte Emotion
Liebe ohne Risiko
Beziehung ohne Verschleiß
das perfekte Glück!

Perfektes Glück und Liebe ohne Risiko. Das hört sich doch sehr utopisch – ergo unmöglich – an. Das Leben lebt vom Kontrast, Glück existiert nur im Doppelpack mit Unglück. Unriskante Liebe wird wahrscheinlich schnell selbstverständlich und verliert ihren Reiz. Liebe und Glück müssen jeden Tag aufs Neue errungen werden. Sie kommen nie von alleine, man muss sie zumindest einfangen und dann ausreichend gießen und düngen. Für beides muss man offen sein, und wer offen ist kann verletzt werden. „No risk, no fun“, so die englische Redensart.

Die Lebensratgeberbranche bietet Regalkilometer an Büchern zu diesen Themen feil, insbesondere für jene die noch immer daran glauben, dass, wenn man nur den richtigen Trick raus hat, das Glück dann von alleine kommt. Ohne Anstrengung, ohne Risiko. Einfach Wasser drauf schütten, umrühren, fertig! Wie sähe wohl die Welt aus, in der dieser Quatsch stimmten würde? Es scheitert doch schon daran, dass keiner so richtig definieren kann was Glück und Liebe eigentlich sind. Weitere Regalkilometer ringen mit diesen Fragen und scheitern auch daran, dass die Antwort für jeden wohl anders lautet. Blöderweise gilt dies gerne auch für Paare, deren Zweisamkeit dann an unterschiedlichen Vorstellungen leidet oder gar drüber stolpert.

Da hilft es auch nicht, virtuell zu sein. Liebe und Glück sind kein bisschen greifbarer als ich es selbst bin. Es ist unser Schicksal und unsere Verantwortung stets aufs Neue für sie zu kämpfen. Das hält uns auf Trab und macht das Leben spannend.

Mal ehrlich gelogen …

Nein, ich bin nicht verschwunden, ich lebe noch. Ein kleiner Zeitengpass soll als Ausrede für mein Nichtpublizieren ausreichen. Manche haben ja schon gefürchtet ich wäre mit meiner zusammengeklauten Identität aufgeflogen und hätte sie zurückgeben müssen. Da ich weder Verteidigungsministerin bin, noch dieses oder ein ähnliches Amt anstrebe, geht mit das auch völlig am Arsch vorbei. Und letztendlich klauen wir uns doch eh alles zusammen und plappern ne ganze Menge nach, ohne dabei die Quellen in verbalen Fußnoten anzugeben. Wär auch lästig, ich kann auch ohne Goethe zu nennen zum Arschlecken aufrufen. Und der hat das bestimmt auch nur bei seinem unflätigen Nachbarn abgekupfert. Kopieren und Einfügen ist keine Erfindung des Computerzeitalters, es liegt in der Natur des Menschen. Was bei Vögeln im Ansatz vorhanden hat der Mensch perfektioniert: Das Imitieren. Es hat ja auch was praktisches: nicht jeder muss das Rad neu erfinden.

Dafür darf man sich selbst jeden Tag neu erfinden! Oder genauer gesagt: Abgeschautes rekombinieren und neu zusammensetzen. So wie wir unser Weltbild aus der großen Kiste der Erfahrungen und der dadurch gelernten Muster zusammenbasteln, erzeugen wir unser Außenbild und werden in die Realitätscollagen in den Köpfen anderer integriert. Natürlich wollen wir in der Selbst- wie Fremdwahrnehmung ein schönes Bild abgeben, wollen gemocht, gefürchtet oder einfach nur respektiert werden. Dazu täuschen, manipulieren und mauscheln wir, um das Selbst- und Fremdbild in die gewünschte Richtung zu bugsieren. Selbstehrlich betrachtet macht das jeder, auch du und ich. Schwierig wird es, wenn man versucht ein nicht dem Selbstbild entsprechendes Fremdbild aufzubauen. Wenn man so tut als ob, obwohl man weiß, dass es gar nicht so ist. Nur Lügen, an die man selbst glaubt, können glaubwürdig sein. Also: Erst in die eigene Tasche lügen und dann den anderen. Und nicht dabei erwischen lassen, sonst ist’s rum mit der Glaubwürdigkeit. Oder besonders reumütig darauf plädieren, dass … Ach schaut einfach in die Nachrichten wie’s die Profis machen.

Mein persönlicher Lieblingstrick: Einfach von vornherein behaupten man sei verlogen. Das erzeugt dann ein klassisches Paradoxon welches die anderen aus der Bahn wirft. Ein ehrlicher Lügner braucht das Erwischtwerden nicht zu fürchten.

Über die Unart halbe Schokoladentafeln zu essen

Eine Tafel Schokolade kann und darf man nicht häppchenweise einteilen, man muss sie auf einen Schlag essen. An diese Philosophie erinnerte mich soeben Blogette Heide (2puzzle4) in einem Kommentar. Die Angewohnheit sich das Beste immer für den Schluss aufzuheben führt selten zum Glück. Denn wer weiß ob der Schluss überhaupt kommt? Oder verschläft man ihn gar? Glücksabwarter haben ihren Kühlschrank stets voll mit Köstlichkeiten, die ihr Verfallsdatum schon längst hinter sich haben. Sie essen zuerst die Beilagen und sind beim Filet dann schon satt. Sie schuften sich zu Grunde und können das angehäufte Geld als Rentner gar nicht mehr genießen. Sie bauen ihr Glück auf Vorfreude.

Glück muss man packen solange es frisch ist. Es ist zu flüchtig um es in Tupperware eingefroren für einen Tag der vielleicht nie kommt aufzubewahren. Und wenn es weg ist kommt ja bestimmt wieder was neues vorbei. Genau so ist es mit Ideen. Die sollte man lieber umsetzen als in die große Zukunftsprojektkiste zu packen. Die ist schneller voll als man schauen kann. Und Ideen ohne Umsetzung sind eh nichts wert. Ich werde diesen Artikel jetzt auch sofort veröffentlichen, solange er noch frisch ist. Obwohl ich gerade erst einen anderen reingestellt hab. Dann bin ich schon gezwungen mir wieder was Neues für morgen auszudenken.

Keine Ahnung wo der Hase läuft.

In meinem letzten Eintrag hab ich ganz unachtsam Wissen und Verstehen in einen Topf geworfen. Das eine ist Fakten, das andere deren Zusammenhänge. Damit werd ich dem Wissen schon wieder nicht gerecht, weil es weit mehr als Fakten ist. Ich will hier nicht mein Wissen über Wissen Gassi führen, dass kann Wikipedia viel besser. Wozu soll ich mir ein Faktenendlager zwischen den Ohren einrichten, wenn das digital auch geht. Wenn ich mal nicht weiter weiß, dann kann ich ja immer noch den Telefonjoker nehmen. Nun gut, ich brauch natürlich Fakten, um darin Muster zu erkennen und somit auf die Metaebene hüpfen zu können. Von dort aus sollte ich in der Lage sein, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen. Nicht nur ausreichend Fakten sondern auch verschiedene Blickwinkel sind wichtig, um Muster erkennen zu können. Aus unterschiedlichen Positionen betrachtet hat jedes vermeintliche Faktum viele, teils paradoxe, Facetten. Nur interdisziplinäres Denken ermöglicht es mir, einen Überblick zu bekommen. Da ich aber nichts desto trotz durch meine eigene Art der Wahrnehmung eingeschränkt bin, muss ich auch meine Erkenntnisse mit denen anderer abgleichen. So kann ich eindimensionales Faktenwissen veredeln und fange an, zu verstehen.
Ich wünsche mir Gesprächspartner mit dem Mut zur Abstraktion, der Bereitschaft das eigene Weltbild zur Disposition zu stellen, der Freude daran, neue Gedanken zu entwickeln und alte über den Haufen zu werfen. Wer glaubt er wisse, wo der Hase laufe, der soll sich darüber freuen aber mich damit bitte nicht langweilen.